Projektgeschichte

Neue Schubert-Ausgabe und digitale Erfassung der Autographe Schuberts

Die Neue Schubert-Ausgabe (NA) wurde 1965 mit dem Ziel gegründet, sämtliche Werke Franz Schuberts (1797–1828) in einer historisch-kritischen Edition für Wissenschaft und Praxis vorzulegen. Die Gesamtausgabe und die hiervon abgeleiteten praktischen Ausgaben erscheinen im Bärenreiter-Verlag; das Vorhaben soll 2027 abgeschlossen werden. Im Rahmen der Ausgabe berücksichtigen Editor:innen alle verfügbaren Quellen und dokumentieren nicht nur deren alternative Lesarten, sondern auch die Entstehungsgeschichte jedes Werks. Somit werden alle belegten Werkfassungen, mit widersprüchlichen Lesarten als Alternativen zum Haupttext bzw. in Fußnoten, wiedergegeben. Jeder Band enthält einen Anhang mit den wichtigsten Quellen und alternativen Lesarten und wird durch einen separaten, detaillierten Kritischen Bericht ergänzt. Dieses Vorhaben erfordert eine eingehende und sorgfältige Analyse hauptsächlich der Autographe Schuberts.

Warum Handschriften digitalisieren

Musikautographe sind nicht nur wertvoll und schützenswert, sondern auch empfindlich. Der ohnehin nur schwer aufzuhaltende Verfall der Manuskripte wird bei jeder Einsichtnahme zusätzlich gefördert. Wissenschaftler:innen und Musiker:innen, die Handschriften als Quellen für ihre Arbeit benutzen möchten, gelingt deswegen der Zugang oft nur unter erschwerten Bedingungen innerhalb der Archivräume. Moderne Scansysteme helfen aus diesem Dilemma zwischen Forschung und Bewahrung: Während bei einem einmaligen Scan das Original geschützt bleibt, liefert die digitale Reproduktion eine äußert genaue, weltweit erreichbare Kopie der Handschrift.

Zudem befinden sich sämtliche Autographe von Komponist:innen in den seltensten Fällen an einem einzigen Standort. Meist sind sie über eine Reihe von Bibliotheken, Archiven und Sammlungen verteilt; häufig befinden sich sogar einzelne Werkteile oder Blätter einer Handschrift an unterschiedlichen Orten, wie es auch bei den Autographen Franz Schuberts der Fall ist. Eine digitale Sammlung sowie die Rekonstruktion solcher nachträglich in Teile zerlegten Handschriften bieten daher eine Grundlage für Wissenschaft und Praxis.

Schubert-online

Die Datenbank www.schubert-online.at wurde aus diesem Hintergrund konzipiert und enthält digitale Reproduktionen von mehr als 500 Notenautographen und mehr als 600 Erst- und Frühdrucken der Werke Franz Schuberts. Sie entstand im Rahmen eines vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) geförderten Digitalisierungsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Musikwissenschaft und Psychologie in Köln (IAMP) sowie dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien. Um die Handschriften einem möglichst breiten Publikum von Wissenschaft, Musikpraxis und Interessierten weltweit zugänglich zu machen, entschieden die Projektteilnehmer:innen, ihre digitalen Reproduktionen online zu veröffentlichen. Die konzeptuelle und technische Entwicklung eines Archivierungs- und Publikationssystems für die Digitalisate der Manuskripte übernahm das IAMP.

Seit 2010 wird die Datenbank von der Abteilung Musikwissenschaft des Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (bis 2012 der ehemaligen Kommission für Musikforschung, bis 2019 des ehemaligen Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften betreut. 2015 fand ein aufwändiger Relaunch des Systems statt, in dessen Rahmen die Datenbank technisch aktualisiert, mit neuer Oberfläche versehen und um Erst- und Frühdrucke der Werke Schuberts aus dem Bestand der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek sowie um digitalisierte Schubert-Manuskripte aus dem Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin erweitert wurde.

Schubert-digital

Als Band 7 der Serie VIII (Supplement) der NA ist der Band „Quellen I. Franz Schuberts Autographe“ geplant. 2017 wurde das Ziel gesetzt, dieses Quellenverzeichnis als Open-Access-Datenbank zu veröffentlichen, da einerseits Verknüpfungen zwischen einzelnen Bestandteilen der Quellen digital besser darstellbar sind, andererseits digitale Suchmöglichkeiten weitaus vielfältiger sind als in einem gedruckten Band. Die von den Arbeitsstellen der NA in Wien und Tübingen neu konzipierte Datenbank Schubert-digital bietet ausführliche philologische Informationen zu Schuberts Autographen; diese bauen auf den neuen Forschungserkenntnissen auf, die in den Bänden und den Kritischen Berichten der NA veröffentlicht werden. Die Manuskripte werden sowohl in ihrer „ursprünglichen“ als auch in ihrer heutigen Beschaffenheit beschrieben sowie inhaltlich detailliert ausgewertet. Außerdem sind die auf Schubert-digital bereitgestellten Digitalisate direkt mit diesen Quellenbeschreibungen verknüpft. Ein Ausbau der Datenbank in Kooperation mit weiteren Sammlungen, die Schubert-Quellen besitzen, ist geplant.

Des Weiteren wird Schubert-digital grundlegende Informationen zu den einzelnen Werken und zu mit der Geschichte der Autographe in Beziehung stehenden Personen und Institutionen beinhalten, zudem einen Wasserzeichenkatalog sowie Links zu weiteren thematisch relevanten Datenbanken (z. B. „Bernstein: The memory of paper“). Komplexe Suchmechanismen und vielfältige Zugangsmöglichkeiten zu den Daten sollen individuelle Suchabfragen erleichtern und zuverlässige Resultate liefern.

2019 fand eine grundlegende Neustrukturierung des Projektes statt. Mit Blick auf die Langzeitarchivierung der Forschungsergebnisse sowie die Anknüpfungsfähigkeit an Bibliothekskataloge und Quellendatenbanken wie Répertoire International des Sources Musicales (RISM) wurde die Datenhaltung hin zum XML-basierten Codierungsverfahren der Music Encoding Initiative (MEI) umgestellt. Zur Dateneingabe sowie -verwaltung wird seitdem der Metadata Editor and Repository for MEI Data (MerMEId) verwendet. Das gesamte Datenset des Projektes wird schließlich über Zenodo publiziert und bei etwaigen Neuerungen auf den aktuellen Stand gebracht, sodass Forscher:innen die Möglichkeit geboten wird, die Forschungsergebnissen aus Schubert-digital weiterzuverwenden.

(Wien, August 2024)

Project history

New Schubert Edition and Digital Recording of Schubert’s Autographs

The New Schubert Edition (NA) was founded in 1965 with the aim of presenting all of Franz Schubert’s works (1797-1828) in a historical-critical edition for scholars and practitioners. The complete edition and the practical editions derived from it are published by Bärenreiter-Verlag; the project is due to be completed in 2027. During the editorial process, editors will take into account all available sources and document not only their alternative readings, but also the genesis of each work. This means that all documented versions of the work are reproduced, with contradictory readings as alternatives to the main text or in footnotes. Each volume contains an appendix with the most important sources and alternative readings and is supplemented by a separate detailed Critical Report. This project requires an in-depth and careful analysis, mainly of Schubert’s autographs.

Why digitise Manuscripts

Music autographs are not only valuable and worth protecting, they are also fragile. The deterioration of manuscripts, which is already difficult to stop, is further fuelled every time they are consulted. Scholars and musicians who want to use manuscripts as sources for their work often find it difficult to access them within the archive rooms. Modern scanning systems help to resolve this dilemma between research and preservation: while the original remains protected with a one-off scan, digital reproduction provides a very precise copy of the manuscript that can be accessed worldwide.

In addition, all autographs of composers are rarely found in a single location. They are usually spread across a number of libraries, archives and collections; often even individual parts or leaves of a manuscript can be found in different locations, as is the case with Franz Schubert’s autographs. A digital collection and the reconstruction of such manuscripts, which have subsequently been divided into parts, therefore provide a basis for science and practice.

Schubert-online

The database www.schubert-online.at was conceived with this in mind and contains digital reproductions of more than 500 autograph scores and more than 600 first and early prints of Franz Schubert’s works. It was created as part of a digitisation project funded by the Vienna Science and Technology Fund (WWTF) in collaboration with the Institute for Applied Musicology and Psychology in Cologne (IAMP) and the Institute of Musicology at the University of Vienna. The project participants decided to publish their digital reproductions online in order to make the manuscripts accessible to the widest possible audience of scholars, music practitioners and interested parties worldwide. The IAMP was responsible for the conceptual and technical development of an archiving and publication system for the digitised manuscripts.

Since 2010, the database has been maintained by the Department of Musicology of the Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (until 2012 the former Commission for Music Research, until 2019 the former Institute for Art and Music Historical Research) at the Austrian Academy of Sciences. In 2015, the system underwent an extensive relaunch, during which the database was technically updated, given a new interface and expanded to include first and early prints of Schubert’s works from the holdings of the Austrian National Library’s music collection as well as digitised Schubert manuscripts from the holdings of the Berlin State Library.

Schubert-digital

Volume 7 of Series VIII (Supplement) of the New Schubert Edition is planned to be the volume ‘Quellen I. Franz Schubert’s autographs’. In 2017, the aim was set to publish this catalogue of sources as an open access database, as on the one hand links between individual components of the sources can be better represented digitally, and on the other hand digital search options are far more varied than in a printed volume. The Schubert-digital database, newly conceived by the New Schubert Edition’s research centres in Vienna and Tübingen, offers detailed philological information on Schubert’s autographs; this is based on the new research findings published in the volumes and critical reports of the New Schubert Edition. The manuscripts are described both in their ‘original’ and in their present state and their contents are analysed in detail. In addition, the digital copies made available on Schubert-online are directly linked to these source descriptions. There are plans to expand the database in co-operation with other collections that hold Schubert sources.

Furthermore, Schubert-digital will contain basic information on the individual works and on people and institutions related to the history of the autographs, as well as a watermark catalogue and links to other thematically relevant databases (e.g. ‘Bernstein: The memory of paper’). Complex search mechanisms and various options for data access are intended to facilitate individual search queries and provide reliable results.

The project was fundamentally restructured in 2019. With a view to long-term archiving of research results and the ability to connect to library catalogues and source databases such as Répertoire International des Sources Musicales (RISM), the data format was switched to the XML-based encoding standard of the Music Encoding Initiative (MEI). Since then, the Metadata Editor and Repository for MEI-Data (MerMEId) has been used for data input and management. Finally, the entire data set of the project is published via Zenodo, so that researchers are offered the opportunity to reuse the research results from Schubert-digital.

(Vienna, August 2024)